7 auf einen Streich oder wie schaffe ich sie alle
A
m Ende der Jahrgangsstufe 11 entschieden acht Nichtsahnende und Unwissende sich den Heraus-forderungen des Gemk-LK zu stellen, wohlgemerkt unter der Leitung Siegbert Langners. Acht sind wenig, doch wie wenig acht wirklich sind, merkt man erst, wenn man mit eben diesen paar Leuten den Raum N131 betritt und feststellt, das man den Raum gerade mal zu einem Fünftel belegt. Die Wirkung, die das Ereignis 131 auf uns hatte (und das zwei Jahre lang jeden Donnerstag wieder) ist nicht in Worte zu fassen.Die Reaktionen auf den wohl kleinsten Leistungskurs, den die Schule je angeboten hat, waren sehr unterschiedlich. Die Einen bedauerten uns, denn schwänzen ohne das es bemerkt wird oder mal eine Stunde - oder auch zwei - geistig abwesend sein, schien schier unmöglich. Die Anderen waren neidisch, weil in normalen Kursen mit etwa 20 Leuten gearbeitet werden mußte. Es ist wohl offensichtlich, welche Reaktionen von Schülern und welche von Lehrern stammen.
Im Laufe der folgenden zwei Jahre erfüllten sich unsere Befürchtungen, und die Prophezeiungen derer, die unseren Tutor kennen, traten ein, vor allem hinsichtlich des außerschulischen Arbeitsaufwandes, den ein so kleiner Kurs nach sich zieht.
Wir wurden eingedeckt mit Hausaufgaben, Arbeitsaufträgen und Kurzreferaten (wobei kurz nichts mit dem Arbeitsaufwand zu tun, denn der war eher groß), was zur zeitweisen Vernachlässigung aller anderen Fächer führte (bei einigen Kursteilnehmern wurde dies auch zum Dauerzustand). Kommentierte dies der Kurs mit der Aussage: "Wie, schon wieder ein Referat?", dann war nicht zu erwarten, daß dadurch der Umfang der Aufträge reduziert wurde, im Gegenteil man mußte die Aussage: "Das kann man ja wohl von einem LK erwarten!" hinnehmen und dies führte zur kollektiven bedingungslosen Kapitulation der Kursteilnehmer.
Von Gruppenarbeit kann in einem Kurs unserer Größe nicht gesprochen werden, denn Gruppenarbeiten in Kursen mit Normalgröße werden von etwa vier bis acht Leuten erledigt. Bei uns wäre das der gesamte Kurs gewesen, also hatten wir Kleinstgruppenarbeiten zu bewältigen. Ein Thema - sonst für sechs - wurde bei uns eben von zwei Leuten in der gleichen Zeit bearbeitet.
Die Intensität des Unterrichts hing speziell von den derzeitigen Launen unseres Tutors ab, sie schwankte zwischen gelegentlichem Kaffeetrinken und, dem für uns zur Normalität gewordenen, Hochleistungs-sport.
Doch als ausgleichende Gerechtigkeit für die viele Arbeit und den vom Tutor erwarteten Einsatz unsererseits, spielten Geburtstage eine große Rolle und so kam jeder zu seinem Geschenk. In diesem Zusammenhang wollen wir uns dafür beim Tutor bedanken. Die Geburtstage, vorausgesetzt sie fanden in der Woche statt, waren an ein Ritual gebunden: Erst gratulierte der Tutor, überreichte sein Geschenk, dieses wurde gemeinsam vertilgt und dann ging es zur Tagesordnung über. An Geburtstagen des Tutors gratulierte der Kurssprecher im Namen aller, überreichte das Geschenk und der Tutor gab eine Runde Kaffee aus.
"Es kann gar kein Zweifel bestehen, daß die Fachsprachlichkeit" in schriftlichen Arbeiten einen sehr hohen Stellenwert einnahm. Die "Zwingung" ist hierfür ein gutes Beispiel. Aus acht mach sieben, dies nahm sich besonders ein Kursmitglied zu Herzen und verließ nach einem Jahr die Höhle des Löwen mit der Fachhochschulreife in der Tasche und überließ den Rest seinem Schicksal. Ansonsten entwickelten sich die verbliebenen sieben weiter und jeder baute eine spezifische Beziehung zum Tutor auf. Oftmals entstanden hitzige Diskussionen über die doch kontroversen politischen Ansichten. Unser "schwarzes" Schaf kann dies wohl am ehesten bestätigen, denn er forderte durch seine kapitalistische Grundhaltung den Tutor gerne heraus und beendete seine eigene Argumentation meist mit der Aussage: Das stand aber auch im Spiegel!
Wie überall gab es auch in unserem Kurs einen Primus der auf Fragen jeglicher Art eine Antwort wußte und diese auch mitteilte. Seine Argumentationsbasis war durch seine ökologische Ansichten geprägt. Ohne ihn, vielmehr ohne sein "Fremdwörterbüchlein" wären wir oft hilflos gewesen und hätten es nicht geschafft manche Sachzusammenhänge zu verstehen. (Als Abschiedsgeschenk erhält er vom Kurs ein großes Fremdwörterbuch!)
Doch es gab nicht nur angenehme Themen in der Gemeinschaftskunde, denn vor allem eine Kursteilnehmerin stand mit einer besonderen Form der Textanalyse, der Ideologiekritik, auf dem Kriegsfuß und dies bekam sie auch bei jeder passenden Gelegenheit vorgehalten, es verfolgte sie sogar in andere Fächer.
Besondere Angst machte unserem Tutor wohl ein weibliches Wesen des Kurses, wenn es, nach seiner Aufforderung etwas zur Diskussion beizutragen, die giftige Antwort gab: "Warum denn schon wieder ich?" und ihn mit einem strafenden Blick bedachte, der ihm durch und durch ging. Dabei war sie eine der zuverlässigsten Schüler des Kurses was die Erstellung der Hausaufgaben oder ähnliches betraf, denn ihre seitenlangen Stichpunkte ersparten manch anderem das Lesen der Texte im Original. Bleibt noch ein männliches Mitglied zu erwähnen, das wohl die meisten Freuden am Gemk-LK hatte; er war derjenige, der am meisten einstecken mußte und dadurch eine Art Quiz mit sich selbst entwickelte: Geh ich hin oder geh ich nicht hin?
Es verbleiben noch zwei weitere weibliche Kursmitglieder, von denen die eine besonders gekennzeichnet war durch ihre Satzanfänge: "Ich weiß ja net, aber..." und ihre Vergeßlichkeit. Sie war in der Lage, alles zu vergessen, besonders Bücher, die ihr unser nichtsahnender Tutor zur Erstellung ihrer Hausarbeit geliehen hatte. Die andere war in der Lage den gesamten Unterricht lahm zu legen mit Diskussionsansätzen, die in keinem Zusammenhang mit dem Thema des Unterrichts standen und somit als reine Zeitschinderei vermerkt werden können. Auch ihre Aussage: "Nee, ich bin dagegen" oder ihre Frage auf eine Frage des Tutors: "Wie war die Frage?" gehörten dazu. Diesen beiden unterstellte der Tutor, sie seien revolutionäre Wesen und würden bestimmt später als Untergrundkämpfer tätig. Dies war auch begründet durch die Themenwahl der Facharbeiten, "KPD" auf der einen und die "Protest-bewegung in 68" auf der anderen Seite.
Die Frage der Raumpflege wurde vom Tutor ebenfalls souverän gelöst:
Langner: "Der nächste der eine unqualifizierte Äußerung macht, putzt die Tafel!"
Er fängt an selber zu putzen.
Katja: "Och, Herr Langner, Sie machen das doch ganz gut!"
Langner: "Damit wäre für die nächsten zwei Wochen die Raumpflegefrage geklärt."
Das hat man halt davon!
Aber trotz aller Arbeit und vor allem der Arbeit mit der Erstellung der Facharbeit (die als Tatsache, daß wir überhaupt eine solche verfassen sollten, das pure Entsetzen hervorrief), war es eine Zeit, die uns sicher in Erinnerung bleibt und wir danken unserem Tutor dafür, daß er uns schon etwas abgehärtet hat, denn was uns nicht umbringt, macht uns härter.
Wir wollen unserem Tutor, der sich selber als Choleriker bezeichnet, noch etwas hinterlassen, bei dem er sich immer an uns erinnern soll:
Herr Langner, nicht aufregen - immer nur wundern!
Katja Kümmel und Stefanie Künkel