Chemie LK Klingelhöfer
Oder welchen Lehrer hätten Sie gerne?
I
m August `95 versammelten sich 13 hochmotivierte Schüler und 3 nicht weniger motivierte Schülerinnen, um sich intensiv dem Fach Chemie zu widmen. Der vom Pech verfolgte Herr Klingelhöfer sollte uns innerhalb der nächsten 2 Jahre in sämtliche Geheimnisse und Sicherheitsvorschriften einweisen. Doch natürlich kam alles ganz anders. Zunächst verlief der Unterricht noch völlig normal.- Na ja, was heißt schon normal? Für Herrn Klingelhöfer bedeutete dies Vorträge ohne Ende und für uns stellten sich die lebenswichtigen Fragen: "Wer kann am schnellsten die Folien vom Overheadprojektor abschreiben?" (bzw. sie fotografieren, gelle Nils) und: "Wer durchschaut dieses Tafelbild?" Wie man vielleicht schon erkennt, war der Unterricht im allgemeinen sehr hart. Hart, aber gut und zu unserer eigenen Beruhigung und manchmal auch Belustigung, mußten wir schon nach einiger Zeit feststellen, daß selbst unser Tutor nicht alles konnte. Dies zeigte sich vor allem bei den Berechnungen der pKs-Werte, bei denen sich seine mathematischen Kenntnisse bzw. "Unkenntnisse" besonders deutlich offenbarten. Im weiterem Verlauf unseres Unterrichtes sollte uns dies noch öfters erheitern ("Wer erklärt mir das mal an meinem Taschenrechner?") und ab und zu auch verunsichern ("Das an der Tafel ist eindeutig richtig, da muß irgendwas im Buch falsch sein!").Seine Arbeiten waren dem meist niveauvollen Unterricht angepaßt: (10 Aufgaben + etliche Unteraufgaben => mindestens 15 Seiten). Apropos Arbeiten. Anscheinend war Herr Klingelhöfer noch aufgeregter als wir, denn in Kombination mit einer kleinen Kreislaufschwäche konnte es schon mal passieren, daß der Tutor kurzfristig seine Aufsichtspflicht vernachlässigen mußte. Das " Ta-tü-ta-ta" des Krankenwagens sollte uns auch in späteren Zeiten erhalten bleiben. So konnten wir uns beim nächsten Thema ("Zucker") die Stellung der OH-Gruppen am Glucosemolekül anhand dessen viel besser behalten. Doch zunächst kamen die Weihnachtsferien und dann die Überraschung. Wir hatten uns alle, diesmal etwas weniger motiviert, wieder versammelt. Das heißt: wir waren da, doch wo war der Tutor? Erfreut über die Freistunden, die uns bis dahin entgangen waren, bereitete uns sein Fehlen keine Kopfzerbrechen. Es war schließlich Winter. Vielleicht war er erkältet oder er hatte seinen Audi 100 2,4 D in die benachbarte Friedhofshecke gesetzt. Möglicherweise sprang er auch einfach nicht an. Letzteres war laut Herrn Klingelhöfer allerdings so gut wie ausgeschlossen (Firma Audi freut sich bestimmt über ihre Werbung). Keiner von uns wußte, was wirklich los war, aber mal ehrlich, wen interessierte das zu diesem Zeitpunkt auch schon?
Doch nach 2 Wochen ohne Lebenszeichen waren wir einigermaßen besorgt, denn der Informationsfluß zwischen Schulleitung und Schülern war immer noch erheblich gestört. Es dauerte nicht mehr lange, da sollte die Störung behoben werden und zwar in Form von IHR, der DAUERVERTRETUNG, FRAU BEHM!
Der Unterricht war nun jede Woche streng gegliedert: 2 Stunden Versuche, 1 Stunde Zettel entgegennehmen und Tabellen abschreiben, 2 Stunden "Essen" (Aufnahme von Kohlenhydraten und Süßstoffen - prima Unterrichtsbezug - in Form von Sandwiches, Pizza, Eis und selbst produziertem Honigersatz). Tja, was gibt es zu diesem Unterricht sonst noch zu sagen? Im Prinzip gar nichts, außer vielleicht, daß der Spaßfaktor eindeutig größer war als der Lernfaktor.
Dies sollte sich allerdings nach den Osterferien ändern, denn: ER KAM WIEDER!!! Die nächsten Schulstunden verbrachte Herr Klingelhöfer mit seiner Krankheitsberichterstattung. Nicht viele Leute brechen sich den Arm, wenn sie morgens testen wollen ob es draußen glatt ist. Doch unser vielseitig begabte Tutor schaffte alles. Die Knochen brachen nicht, sie splitterten! Und seine externe Armschiene ermöglichte es ihm sogar im Schlaf seine Frau KO zu schlagen und sich im Bettgestell zu verhaken (Zitat: "Als ich letzte Nacht am Bettgestell gefesselt war...." => Reaktion der Schüler: "Erzählen Sie ruhig weiter!")
Doch nicht nur Herr Klingelhöfer bewies sein Pech. Zumindest ein Kursmitglied stand ihm in nichts nach (N.B. aus K.) und der Verbrauch an Glasapparaten stieg während unserer Zeit sprunghaft an. Büretten, Erlenmeyerkolben, Glasbecher, Pipetten und etliche Reagenzgläser fielen seiner Tolpatschigkeit zum Opfer. Zum Glück verletzte er sich immer nur selber. (Anmerkung der Autoren: Hast Du Dich eigentlich schon bei Thomas bedankt, daß er Dir nach der Verätzung mit Kalilauge Dein Augenlicht gerettet hat?) Abgesehen vom fast mißglückten Aufwischen verschütteter konzentrierter Schwefelsäure, einem explodierten Eisglas und einigen anderen Kleinigkeiten sorgte er auch bei unseren Versuchsvorführungen auf der 150-Jahrfeier für lodernde Begeisterung.
Nach diesem Ereignis folgten die Sommerferien und ein Mitschüler verließ uns, um sich nun der Arbeitswelt zu widmen. Die übrig gebliebenen 15 Schüler begaben sich nach 6 Wochen Erholung erst einmal auf Erkundungsreise in die unergründliche Welt der Toskana. Bevor wir abfuhren gab uns unser Tutor noch ein paar nützliche Tips ("Nehmt auf jeden Fall einen Brustbeutel mit oder befestigt Euer Portemonaie mit einem Kettchen an der Gürtelschlaufe, sonst wird Euch nachher alles geklaut") und dann ging es los. Während andere Lehrer uns vielleicht am Anfang der Abschlußfahrt gewissenhaft die einzuhaltenden "Spielregeln" erklärt hätten, lautete sein Kommentar: "Auch hier in der Toskana gibt es bestimmte Regeln, aber: Habt viel Spaß, macht was ihr wollt." Natürlich gab es noch einige andere Begebenheiten, an die wir uns wohl stets erinnern werden. Zum Beispiel war es doch ein seltsamer "Zufall", daß ausgerechnet sein Geldbeutel gestohlen wurde. (Vielleicht hätte er seine eigenen Tips besser beachten sollen, aber zum Glück konnten einige Schüler ihm sein wertvolles Stück wiederbeschaffen.) Auch gelang es ihm, jeden Morgen unsere Aufmerksamkeit zu erwecken, indem er stets gewissenhaft seinen Wecker stellte, doch ihn leider nicht selber hören konnte, weil er stets mit Ohropax in den Ohren schlief.
Im allgemeinen kann man sagen, daß wir ohne Herrn Klingelhöfer als Begleitperson bestimmt weniger Spaß gehabt hätten. Schließlich wären uns dann seine "FREIHEITSRUFE" auf der Schiffahrt entgangen und wir hätten die Möglichkeit versäumt, noch mehr von seiner Bundeswehrzeit, seinem ersten Auto (Käfer) und seinen geliebten Traktoren zu erfahren.
Wieder zu Hause angekommen, überließen wir uns dem Ernst des Schulalltags. Der Unterricht nahm seinen gewohnten Lauf und wir brachten ohne besondere Ereignisse den Rest des Halbjahres hinter uns. Nach den Weihnachtsferien waren wir alle erleichtert, unseren Tutor gesund anzutreffen, doch dieses Glück hielt natürlich nicht lange an. Am Anfang des 2. Halbjahres war er mal wieder verschollen und wir bekamen mal wieder eine Dauervertretung. So kurz vor dem Abi war die Begeisterung darüber natürlich nicht gerade groß, aber wir merkten nach einer Weile, daß alles nur halb so schlimm war. Frau Fenner hatte nun die Ehre unseren Tutor würdevoll zu vertreten. Sie weihte uns bis zur nächsten (und letzten) Arbeit in die Geheimnisse des chemischen Gleichgewichts ein und gab uns während ihrer Zeit in unserem LK nicht den geringsten Anlaß zur Beschwerde. (Anmerkung der Autoren: Vielen Dank für Ihre kurzgefaßte, übersichtliche und präzise Wiederholung vor dem Abitur.)
Am Ende unserer Schulzeit angekommen bleibt nur noch zu sagen, daß wir trotz allen Anstrengungen und allem Streß in der Oberstufe stets viel Spaß hatten und uns nun mit all unseren (chemischen) "Kenntnissen" dem Ernst des Lebens stellen können. Wir danken Herrn Klingelhöfer und seinen beiden Vertretungen für ihren Unterricht und werden uns bestimmt noch oft an so manche Begebenheiten dieses "einmaligen" LK`s erinnern.
Christine Hartnack, Jörn Giesen, Thomas Druschki
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